Olympische Spiele
Sydney 2000

 

Bilanz der Olympischen Spiele

Kaum sind die Spiele in Sydney zu Ende gegangen, ist es auch schon an der Zeit, eine Bilanz der XXVII. Olympischen Spiele zu ziehen.

Aus Sicht des Gastgeberlandes Australien waren es in jeder Hinsicht gelungene Spiele. Da warzum einen die perfekte Organisation des Gastgeberlandes, die auch vom IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch in seiner Rede bei der Schlussfeier entsprechend gewürdigt wurde. Dann das in jeder Hinsicht hervorragende australische Publikum, das nicht nur die Leistungen seiner eigenen Sportler anerkannte, sondern auch jederzeit Athleten anderer Nationen unterstützte. Beispielhaft sei hier das Weitsprung-Finale der Herren angeführt, bei dem der kubanische Leichtathlet Ivan Pedroso mit dem Australier Jai Taurima um den Olympiasieg fightete. Auf dem 2. Platz liegend forderte der Kubaner bei seinem letzten Versuch das australische Publikum zu rhythmischem Klatschen auf. Das Publikum folgte dieser Aufforderung trotz der Konkurrenz des Kubaners zum eigenen Athleten. Als der Kubaner dann tatsächlich mit dem letzten Versuch auch noch den Australier auf Platz 2 verdrängte, würdigte das faire Publikum auch diese Leistung mit Applaus. Note 1 für die australischen Zuschauer!!

Auch sportlich gesehen lies das Gastgeberland keine Wünsche offen. Mit 16 gewonnenen Goldmedaillen belegte man in der Nationenwertung einen guten 4. Platz. Was dem Gastgeberland aber besonders hoch anzurechnen war, ist die Tatsache, dass man nie den Eindruck wie vier Jahre zuvor in Atlanta hatte, dass der Kommerz alles und der Sport höchstens sekundär ist. Sicher ging es auch in Sydney um Kommerz, aber der Gastgeber ließ nie einen Zweifel aufkommen, dass es sich in erster Linie um sportliche und nicht um kommerzielle Veranstaltungen handle.

In fast allen Sportarten wurden großartige Leistungen gebracht. Im Schwimmen gab es beispielsweise 15 Weltrekorde. Auffällig war, dass in bestimmten Sportarten plötzlich Nationen Medaillen gewannen, die noch vor Jahren niemanls eine Chance auf eine vordere Platzierung gehabt hätten. Oder wer hätte gedacht, dass plötzlich Südkorea im Fechten einen Olympiasieger stellt, dass die Kubaner zwei Medaillen im Kanurennsport gewinnen oder dass das Damen-Hockeyteam aus China nicht nur Olympiasieger Niederlande, sondern danach auch noch Deutschland schlägt. Von diesen Überraschungen lebt der Sport.

Leider kam man bei diesen Spielen an dem Thema Doping nicht vorbei. Fast täglich kamen hierzu neue Meldungen und Ausschlüsse. Vor allem in Disziplinen, in denen es in erster Linie auf Schnellkraft ankommt, scheint Doping an der Tagesordnung zu sein. Besonders negativ fielen in dieser Hinsicht die Länder Bulgarien und Rumänien auf.

Auch für die deutsche Olympiamannschaft ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Viel zu häufig in den vergangenen 16 Tagen musste das Wort "Enttäuschung" in den Mund genommen werden, um das Abschneiden vieler deutscher Olympiateilnehmer treffend zu charakterisieren. Was bestimmte Sportler, an erster Stelle diverse Schützen und Schwimmerinnen, in Sydney an Leistungen boten, war eine Frechheit. Auch die Leistungen der Degenfechter/innen, Badminton-Spieler, Leichtathleten (Ausnahmen: Schumann, Drechsler, Münchow), Boxer, Judokas und Ringer (Ausnahme: Leipold) konnte niemand, außer vielleicht einige blauäugige und selbstgefällige Funktionäre und Schönredner, zufrieden stellen. Der DDR-Bonus ist nach 10 Jahren aufgebraucht und der deutsche Sport geht mit Riesenschritten der Mittelmäßigkeit entgegen. Diese Feststellung muss man leider so treffen, auch wenn es Ausnahmen (Kanu, Radsport, Rudern, Reiten) gibt.

Zum Vergleich: 2000 gewannen deutsche Olympiateilnehmer in 300 Wettbewerben 57 Medaillen (14xGold). Dies bedeutet, dass deutsche Sportler in 19 % der ausgetragenen Wettbewerbe zu Medaillenehren kamen. Nun ziehen wir mal das Ergebnis der letzten Olympischen Spiele vor der politischen Wende in Seoul 1988 heran: Dort gab es bei 237 Wettbewerben für bundesdeutsche Sportler 40 Medaillen (11xGold). In 16,8 % der ausgetragenen Wettbewerbe gewannen seinerzeit Sportler der Bundesrepublik Medaillen. Dieses Zahlenspiel belegt, wie das Abschneiden der deutschen Mannschaft in Sydney zu bewerten ist. Es war nur unwesentlich besser wie in Seoul. Zieht man die Medaillen der Sportler in Sydney ab, die bereits 1988 für die DDR in Seoul erfolgreich waren, dann wird das Ganze sogar noch schlechter.

Wir möchten nachfolgend mal einige Gründe nennen, die mitverantwortlich für den Niedergang des deutschen Sports sind:

- Gesellschaft: In unserer Gesellschaft ist es schon lange nicht mehr üblich, Fehler zuzugeben. Wer keine Fehler zugibt, kann daraus auch keine Lehren ziehen. Dies gilt sowohl für die Sportler als auch für die Trainer und Funktionäre. Wenn man gewisse Statements bestimmter "Sydney-Versager" hört, wird diese These untermauert.

- Sportler: Viele Sportler sind nicht bereit, weder im Training noch im Wettkampf an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu gehen. Zu schnell kehrt Selbstzufriedenheit ein. Auch scheinen viele Sportler nicht mit dem Druck umgehen zu können, anders ist es nicht zu erklären, dass deutsche Wettkämpfer in entscheidnenden Situationen fast immer den Kürzeren gezogen haben (siehe Degen-Finale der Herren, Soling-Finale, Tennis-Finale, Damen-Fußball-Halbfinale, Taekwondo-Finale, Handball- und Hockeyteams etc.). Auch hinter diesem Punkt verbirgt sich ein gesellschaftliches Problem: Der Lebensstandard bei uns ist so hoch, dass es gar nicht mehr lohnend ist, sich für den Leistungssport zu quälen. Bei unserem antiquierten Schulsystem werden die jungen Menschen nicht darauf vorbereitet, mit Druck umzugehen. Außerdem kommt die zunehmende "Null-Bock-Einstellung" der jungen Generation als entscheidendes Kriterium hinzu. Ausnahmen à la Nils Schumann und Robert Bartko bestätigen die Regel.

- Funktionäre: Für die Funktionäre in fast allen Verbänden zählt nur eines, nämlich sie selber. Der Athlet sollte eignetlich im Mittelpunkt stehen, doch die Funktionäre halten sehr häufig sich selber für am Wichtigsten. Ihre eigene Position zu stärken und zu halten ist deshalb ihr vorrangiges Ziel. Querdenker sind nicht erwünscht, Beamtenmentalität hingegen ein gefragtes Kriterium. Dem DFB hätte ein Paul Breitner in verantwortungsvoller Funktion ebenso gut zu Gesicht gestanden wie ein MIchael Groß dem Deutschen Schwimm-Verband. Aber was würde passieren, wenn man sich solche Querdenker ins gemachte Nest setzt: Man würde Gefahr laufen, seinen Posten zu verlieren. Deshalb verschwendet man schon gar nicht den Gedanken daran, sich um solche Leute zu bemühen. Vielmehr versucht man, miserable Leistungen schön zu reden (Beispiel: Präsident des Deutschen Schützen-Bundes).

- Trainer: Auf viele erfahrene Medaillenschmiede aus der ehemaligen DDR wurde einfach verzichtet. Folge: Diese arbeiten heute zum Teil im Ausland und setzen dort ihre Erfolge fort. Bei uns "wursteln" die Trainer weiter, die seit Jahren nur eines vorweisen können, nämlich chronische Erfolgslosigkeit.

- Fördersystem: Hier muss erneute Kritik an unserem Schul- und Ausbildungssystem angebracht werden. Talente aus dem Sportbereich werden bei uns nur in den wenigsten Fällen so gefördert, dass es einer späteren großen Karriere dienlich ist. Die Einführung von Sportinternaten in großem Umfang, wie es in der ehemaligen DDR üblich war, wäre der richtige Weg. Selbstverständlich müsste dies für die Talente auf freiwilliger Basis d.h. mit Zustimmung der Eltern geschehen und nicht zwangsweise.

- Politik: In der Politik wird nur geredet, aber selten (oder nie?) gehandelt. Bundesminister Otto Schily kritisierte das Abschneiden der Olympiamannschaft zu Recht, aber was gedenkt er zu tun, dass es künftig besser wird? Ist es nicht auch Aufgabe der Politik, die Wirtschaft zu mobilisieren und Sponsoren für den Sport zu gewinnen, damit z.B. Ausbildungsstätten wie Sportinternate für Jugendliche errichtet werden können? Otto Schily muss man im Vergleich mit seinen Vorgängern bzw. anderen Politikern zumindest zu Gute halten, dass er im Bereich Profi-Fußball alles dafür getan hat, die Fußball-WM 2006 nach Deutschland zu holen. Nun soll er aber auch beweisen, dass er in der Lage ist, den olympischen Sportarten wieder auf die Beine zu helfen, ohne den Steurzahler weiter zu schröpfen.

Bei all den Kritikpunkten gibt es auch einige Sportarten, bei denen Deutschland erfolgreich abgeschnitten hat. Da sind in erster Linie die Kanuten, Ruderer, Radsportler und Reiter zu nennen. Die Sportler aus den genannten Sportarten sind zum Großteil für die Goldmedaillen-Ausbeute verantwortlich und bereiteten den deutschen Sportfans bei allem Frusr auch reichlich Freude. Auf Grund einer stärkeren zweiten Woche konnte die deutsche Olympiamannschaft noch vom 10. auf den 5. Platz klettern. Es bleibt nur zu hoffen, dass durch dieses im Endeffekt gerade noch ausreichende Ergebnis nicht wieder die Augen vor den oben ausführlich geschilderten Problemen geschlossen werden. Die Abrechnung wird in vier Jahren in Athen schonungslos präsentiert. Man darf darauf gespannt sein, wie sie aussehen wird. Entweder hopp oder top??

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